Für viele Krankenhäuser ist die Bewertung ihres Qualitätsmanagements ein ungeliebtes Kind: Dabei ist die QM-Bewertung, richtig angewandt, ein Instrument, das viel Sinn macht.
Vor einigen Jahren traf ich Schwester Katrin, die QM-Beauftragte einer internistischen Abteilung eines Krankenhauses ist. Sichtlich gelangweilt saß sie vor ihrem Computer. Ich nutzte die Gelegenheit, sie zu fragen, wie es ihr gehe. Sie meinte: „Na ja. Ich muss halt mal wieder die Statistik für die QM-Bewertung ausfüllen. Das Formblatt geht zum zentralen QM, und dann sehen wir nie wieder etwas davon. Das macht nur Arbeit und nutzt gar nichts. Können Sie mir erklären, was das soll?“
In der Praxis läuft es in der Tat oft so: QM-Teams erstellen gemeinsam mit den Abteilungsleitern die QM-Texte. Anschließend geben die Leitungsteams diese häufig nur noch frei und sind froh, wenn das Ganze damit erledigt ist.
Anforderungen an die QM-Bewertung
Hintergrund: Die DIN EN ISO 9001:2015 will im Rahmen der Bewertung des Qualitätsmanagements folgende Fragen beantwortet haben:
1. Was hat sich innerhalb und außerhalb des Unternehmens verändert, das Einfluss auf das QM-System haben könnte?
2. Wie wirksam ist das QM-System?
Dabei sind mindestens die folgenden Punkte zu beachten:
- Wie zufrieden sind die Patienten?
- Welche Rückmeldungen von relevanten Partnern gibt es?
- Welche Ziele wurden erreicht, welche nicht?
- Sind die Abläufe wie gewünscht wirksam? Dabei sind wiederum folgende Themen zu betrachten:
- Welche Fehler kamen vor?
- Wo gab es relevante Abweichungen vom Geplanten?
- Was sagen die Kennzahlen aus?
- Welche Ergebnisse brachten interne und externe Audits?
- Wie gut war die Leistung von externen Partnern und Anbietern?
- Ist die Menge an Zeit und Geld, die in das Management-System fließen, angemessen?
- Wie wirksam waren die Maßnahmen zum Umgang mit Risiken und Chancen?
- Was kann man besser machen?
Wie wirksam ist das QM-System der Klinik?
Ich setzte mich zu Schwester Katrin und erklärte ihr, dass sich die Management-Bewertung letztlich nur um eine einzige, eigentlich recht spannende Frage dreht. Es gehe darum, erklärte ich, sich umfassend anzuschauen, wie wirksam das Qualitätsmanagement-System eines Krankenhauses sei. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, sah mich an und meinte dann: „Oh, dazu fällt mir so manches ein. Na, da bin ich ja mal gespannt.“
In der Folgezeit hörte ich immer wieder, wie Schwester Katrin mit Kolleginnen und Kollegen zusammensaß und sie ihnen die gleiche, einfache Frage stellte: „Wie wirksam ist das Qualitätsmanagement-System, das wir hier haben?“
Das ging auf diese Weise einige Tage so, bis Schwester Katrin ziemlich frustriert in mein Büro marschierte. Die Kolleginnen und Kollegen, berichtete sie, antworteten auf die Frage nach der Wirksamkeit des Qualitätsmanagement-Systems recht häufig, dass das QM-System ja bloß aus nerviger Dokumentation bestehe. Dabei sei die Dokumentation natürlich ein Teil des Management-Systems. Und sie habe bereits jetzt gelernt, dass man sich über deren Wirksamkeit durchaus dringend unterhalten sollte. Aber das sei ja nicht das Einzige, was ein Management-System ausmache, fügte sie hinzu.
Ich nutzte die Chance und frage sie: „O. K., und woraus besteht dann aus Ihrer Sicht das Management-System der Klinik?“ Sie blickte mich zunächst etwas verwirrt an, lächelte dann breit und meinte: „Gute Frage, wenn ich schon mal dabei bin.“ In den folgenden Tagen erlebten die Kollegen eine Schwester Katrin, die eine neue Frage stellte: „Du, was denkst Du eigentlich, woraus unser Management-System besteht?“ Die Antworten notierte sie. Am Ende entstand ein recht wildes Sammelsurium, das von „Chef“ bis „Schulungen …?“ reichte.
Einige Tage später saß sie mit ihrer Liste wieder an meinem Schreibtisch. „Ich bin echt erstaunt, wie wenig die Kollegen unser Management-System im Blick haben“, sagte sie nachdenklich. „Das wirkt so, als würden sie die Welt, in der sie arbeiten, überhaupt nicht wahrnehmen. Das ist doch verrückt. Wir machen eine elaborierte, zentrale Management-Bewertung in einem kleinen, zentralisierten Kreis von Kollegen und die Mitarbeitenden, die ja in diesem System arbeiten, nehmen weitere Teile unseres Qualitätsmanagement-Systems gar nicht wahr. Das ist doch grade so, „wie wenn wir manchmal die Straße nicht wahrnehmen, auf der wir gehen, aber über die Steigung meckern“, fügte sie hinzu.
Wie wirksam sind die einzelnen Elemente?
Schwester Katrin trug ihr Thema mit in die Teamsitzung und konfrontierte die Kolleginnen und Kollegen mit ihren Erkenntnissen. Sie hing ein Flipchart in der Stationsküche auf und bat ihre Mitarbeitenden, auf diesem Flipchart eine Woche lang alles einzutragen, was aus ihrer Sicht zum Qualitätsmanagement-System gehört. Die Liste füllte sich über die kommenden Tage, und die Gespräche über das, was Management eigentlich ausmacht, wurden lebendiger.
In der anschließenden Sitzung hing Schwester Katrin ein zweites Flipchart in der Stationsküche auf. Sie hatte alle Elemente, die das Team als „Management“ benannt hatte, in die linke von zwei Spalten eingetragen. Dann bat sie ihre Kolleginnen und Kollegen, neben das jeweilige Element des Management-Systems einzutragen, wie wirksam sie den jeweiligen Bereich erleben. Dabei wählte sie ein Bewertungssystem von 1 (sehr unwirksam) bis 10 (sehr wirksam).
Nach einer Woche errechnete sie die Summe der Bewertungen. So entstand eine Rangliste der wahrgenommenen Wirksamkeit der einzelnen Managementbereiche. Diese wurde neuer Bestandteil des QM-Berichts der Klinik.
Verbesserungsideen sammeln und umsetzen
Die Wochen darauf nutzte Schwester Katrin dazu, gemeinsam mit ihrem Team die zehn Bereiche des Qualitätsmanagement-Systems durchzugehen, die die Kolleginnen und Kollegen als am wenigsten wirksam wahrgenommen hatten, sowie Verbesserungsideen zu sammeln. In der Zeit danach wurden die Pflichtschulungen beispielsweise grundlegend überarbeitet, der Ablauf der Einarbeitung wurde auf den Kopf gestellt, der Anamnesebogen bekam ein neues Gesicht.
Ein Jahr später wiederholte das Team diese neue Form der Management-Bewertung im Rahmen eines kleinen Workshops. In der Pause stand ich mit Schwester Katrin und einer Kollegin neben dem Kuchen-Büfett. „Also Frau Schuster“, sagte Katrin, „so macht diese Management-Bewertung ja echt Sinn. Das hätten Sie mir auch gleich sagen können.“
Erstmals veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt I Heft 50 I 15. Dezember 2017