Verhandlungen mit einem Profi machen Spaß. Alle Beteiligten kommen inhaltlich weiter – und am Ende steht ein gutes, tragfähiges Ergebnis.
Vor wenigen Monaten rief mich der Oberarzt einer anästhesiologischen Abteilung an. Er hatte sich für die Stelle als Chefarzt in einer anderen Klinik beworben und war damit erfolgreich. Er stand kurz vor den Vertragsverhandlungen und meinte: „Na ja, ich gehe schon mit ordentlichem Respekt in diese Gespräche. Ich habe einige Ideen, die ich als Chefarzt gern umsetzen würde. Doch weiß ich, dass mein Verhandlungspartner absoluter Profi ist. Was muss ich denn beim Verhandeln beachten, wenn ich möglichst viele meiner Punkte durchsetzen möchte?“
Die Grundstimmung in guten, gern auch harten Verhandlungen ist freundlich und wertschätzend. Dies widerspricht völlig der landläufigen Meinung, dass ein Verhandler dann erfolgreich ist, wenn er oder sie den Verhandlungspartner „niedermacht“, „abzockt“ oder „sich mal richtig durchsetzt“. Im Gegenteil: Gute Verhandler verhandeln so, dass das Ergebnis tragfähig ist. Und das ist es nie, wenn ein Partner dabei über den Tisch gezogen wird.
Ein Verhandlungsergebnis besteht zu 50 Prozent aus dem, was inhaltlich verhandelt wurde, und zu 50 Prozent aus dem Gefühl, das alle Beteiligten dabei hatten. Damit dies gelingen kann, ist es wichtig, klar zwischen der Person, mit der man verhandelt, und deren Standpunkt in der Verhandlung zu unterscheiden. Man kann durchaus einmal hart um einen inhaltlichen Punkt ringen. Die Wertschätzung dem Verhandlungspartner gegenüber sollte davon völlig unabhängig bleiben.
Vorbereitung ist fast alles
Je wichtiger die Verhandlungen sind, desto relevanter ist es, sich gut vorzubereiten. Wichtig ist, sich Zeit für diese Aufgabe zu lassen. Folgende Fragen sind zu klären:
- Was möchte ich erreichen?
- Was möchte der andere erreichen?
- Was ist das Minimum, das ich bereit bin zu akzeptieren?
- Was ist das Maximum, das ich verlangen kann, ohne ausgelacht zu werden?
- Welche Alternativen hat der andere?
- Was sind die Gefühle, die den Standpunkt meines Gegenübers begleiten?
- Was sind Gefühle, die meinen Standpunkt begleiten, und wie wird mich das beim Verhandeln beeinflussen?
- Wer hat Einfluss auf das, was ich in den Verhandlungen vereinbaren möchte?
- Was ist in der Zeit nach der Verhandlung? Was oder wer ist dann wichtig?
Und: Die Suche nach der zweitbesten Alternative:
- Was ist, wenn die Vereinbarung nicht zustande kommt?
- Wie setze ich meine Interessen auch ohne den Verhandlungspartner durch?
Die Klärung der zweitbesten Alternative bringt es gelegentlich mit sich, dass sich die Schwerpunkte der Überlegungen nochmals ändern.
Etwas Diagnostik zu Gesprächsbeginn
Zu Beginn der Gespräche hilft es, eine Art Diagnostik-Phase einzubauen. Eine gute Routine ist, allen Gesprächsteilnehmern zu Beginn die Hände zu schütteln und bewusst in die Augen zu schauen. In dieser Phase klärt sich vieles: Wie fest ist der Händedruck, wie sicher der Blick, wie ist die Stimmung des Partners? Spätestens jetzt ist es hilfreich, wenn die eigenen Gedanken zur Ruhe gekommen sind und die Aufmerksamkeit völlig beim Gegenüber liegt.
Grundsätzlich ist es einfacher, wenn das Gegenüber den ersten Vorschlag zum Verhandlungsthema macht. Aber wenn klar ist, dass es Sinn macht, selbst einen Vorschlag zu machen, sollte das auch passieren – wirklich riskant ist dies nicht. Es kann auch Vorteile haben, gleich mit dem ersten Schritt aktiv einzugrenzen, worum es eigentlich geht, vor allem dann, wenn es so wirkt, als sei es sinnvoll, den anderen ein wenig in die Schranken zu weisen.
Zu verstehen, was den Gesprächspartner bewegt, ist der Schlüssel zum Verhandlungsspiel. Auf der Grundlage eines gegenseitigen Verständnisses entsteht in guten Verhandlungen ein gemeinsam getragener Problemlöseprozess. Diese Stimmung ist ein Indikator dafür, dass die Verhandlungen auf einem guten Weg sind. Bewährte Fragen sind zum Beispiel:
- Wie sind Sie zu Ihrem Angebot gekommen?
- Auf welcher Grundlage bewerten Sie das so?
- Was wäre eine Voraussetzung, damit wir das Projekt gemeinsam machen können?
- Was sollte aus Ihrer Sicht unter keinen Umständen passieren?
- Was würde helfen?
Gelegentlich entstehen in guten Verhandlungen durchaus Ergebnisse, die ein wenig anders ausfallen, als in der Vorbereitung überlegt. Solange dabei die eigenen Interessen in die neue Lösung integriert werden können, ist dies kein Fehler, sondern ein wichtiger Schritt hin zum Erarbeiten eines stabilen Ergebnisses.
Schwierige Partner, harte Verhandler
Gelegentlich trifft man auf Gesprächspartner, die schwierig sind. Dann ist das strategische Koordinatensystem ein anderes: Dann geht es darum, wirksam verbal zu „boxen“. Vergnügen macht das nicht, gehört dann jedoch zum „Spiel“. Es ist durchaus möglich, sich auf die zweitbeste Alternative zu besinnen und einen Abbruch der Gespräche anzubieten. Dabei hilft es klarzulegen, dass die Gespräche gern fortgesetzt werden können, wenn der andere einen vernünftigen Vorschlag einbringt. Eine mögliche Formulierung: „Bitte, ich merke, dass Sie versuchen, mich über den Tisch zu ziehen. Lassen Sie das einfach, Sie kommen damit bei mir nicht weit. Können wir jetzt normal miteinander sprechen?“
Wenn der Gesprächspartner als harter Verhandler gilt, hilft es zunächst zu prüfen, wie hart der andere wirklich ist. Wenn es gelingt, ein unverfängliches Gespräch über andere Themen vor der Verhandlung einzufädeln, entsteht viel Klarheit über das Gegenüber. Das Bewusstsein über die zweitbeste Alternative ist eine gute Grundlage für solche Gespräche. Die Idee, den „Deal“ eigentlich nicht zu brauchen, hilft, das eigene Tempo beizubehalten und sich gegebenenfalls eine Auszeit zu nehmen, wenn man unter Druck gerät. Dann hilft, eine Liste der zu erwartenden Argumente zu erstellen und zu überlegen, wie diese zu kontern sind.
Wenn die Dinge sich in die gewollte Richtung bewegen, ist es sinnvoll, alles zu tun, um diesen Trend weiter zu entwickeln. Dabei hilft es, in Ruhe zu prüfen, ob alle Interessen berücksichtigt, alle Themen vollständig abgearbeitet und die erledigten Punkte in einem Protokoll fixiert wurden. Achtung: Was nicht schriftlich fixiert ist, gilt am Ende möglicherweise als nicht verhandelt.
Verhandlungen mit Profis machen Spaß
Wenn der Deal gut ist, macht es Sinn, die Verhandlungen zu beenden. Schon so manches gute Ergebnis ging verloren, weil die Beteiligten das Erreichte wieder zerredet haben. Es lohnt sich also, die Vigilanz bis zum Verlassen des Raumes aufrechtzuerhalten.
Erstmals veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt I Heft 50 I 15. Dezember 2017