Das Glück gehört zu den gut untersuchten Phänomenen. Was Menschen tun können, um glücklich zu werden, ist recht klar. Die gute Nachricht: Helfen macht glücklich. Doch Altruismus allein reicht nicht aus.
Vor Kurzem traf ich den Oberarzt der internistischen Abteilung einer Klinik im Besprechungszimmer bei einer Tasse Kaffee. Ich hatte etwas Zeit und setzte mich zu ihm. Nun kennen wir uns schon sehr lange und ich merkte, dass er etwas auf dem Herzen trug. Ich schaute ihn an und fragte, ob alles gut sei. Er meinte: „Naja. Ganz echt? Jammern auf hohem Niveau halt. Ich habe einen gut bezahlten Job, eine funktionierende Familie, ein Haus, ein Auto … Und trotzdem bin ich oft so genervt, dass ich vor mir selbst davonlaufen könnte. Das verstehe ich nicht. Es geht uns gut und trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich glücklich bin. Das ist komisch. Was sagt denn die Psychologie dazu?“
Glück ist ein gut untersuchtes Phänomen
Nun, das Glück gehört zu den gut untersuchten Phänomenen in der Welt, übrigens nicht nur in der Psychologie. Doch was ist das eigentlich? Um ein Phänomen erforschbar zu machen, muss man es messbar machen. Die Forschung kennt primär zwei „Arten“ von Glück:
- Emotionales Wohlbefinden: Gemeint ist damit die Gefühlslage im Moment. Dabei kommt es im Wesentlichen auf das Verhältnis zwischen positiven und negativen Gefühlen im Tagesdurchschnitt an. Gemessen wird dies mithilfe des „Glücksquotienten“: Auf ein negatives Gefühl sollten im Laufe des Tages drei positive Gefühle kommen. Für eine Beziehung gilt ein Verhältnis von 1:5 als ideal. Mitzählen lohnt sich!
- Kognitives Wohlbefinden: Gemeint ist damit der Grad der Zufriedenheit mit dem Leben, erfasst im Rahmen einer Bewertung. Hier vergleicht man das, was man will, mit dem, was man hat. Es geht also darum, wie ein Mensch sein eigenes Leben beurteilt.
Glücksfaktoren: Genetik und Lebensumstände
Was beeinflusst unser Glück? Dazu zählen vor allem die Genetik, die Lebensumstände und die Art, wie Menschen mit der Welt und ihrem Leben umgehen.
- Genetik: Vielen Untersuchungen zufolge werden etwa 50 Prozent des Glücks durch genetische Faktoren beeinflusst. Wir haben eine Art „genetischen Steuermann“, einige sprechen von einem „Glücksthermostat“ oder einer definierten „Bandbreite des Glücks“. Jeder hat ein festes Niveau an Glück, zu dem er immer wieder zurückkehrt. So haben Lottogewinner im Durchschnitt ein Jahr nach dem Gewinn ihr gewohntes Glücksniveau wieder erreicht. Dies hilft auch im Falle von einbrechenden Katastrophen. In weniger als drei Monaten verlieren einschneidende Lebensereignisse, wie eine Kündigung oder eine Beförderung, ihren Einfluss auf unser Glücksniveau.
An bestimmte Schicksalsschläge gewöhnt man sich allerdings nie oder nur sehr langsam. Dazu gehören der Tod des eigenen Kindes oder des Lebenspartners bei einem Unfall. Menschen, die Alzheimer-Patienten pflegen, zeigen mit der Zeit eine deutliche Verschlechterung ihres subjektiven Wohlbefindens.
- Lebensumstände: Etwa 8 bis 15 Prozent des Glücks werden durch die Lebensumstände bestimmt.
Geld macht glücklich – aber nur bis zum Überschreiten der Armutsgrenze, danach nicht mehr („Easterlin Paradoxon“). Dies führen die Forscher auf zwei Faktoren zurück:
1. Gewöhnung: Mit steigendem Einkommen steigen die Ansprüche. Forscher sprechen auch von der „hedonistischen Tretmühle“.
2. Vergleich: Mit steigendem Einkommen verändert sich die Vergleichsgruppe. Man vergleicht sich automatisch mit Menschen, die genauso viel Geld haben oder etwas mehr.
Einen sicheren Einfluss auf das Glück haben Religion, Glaube und Spiritualität. So sind gläubige Menschen glücklicher. Auch die soziale Einbindung eines Menschen macht glücklich. Dazu zählen Familie, Freunde und die daraus resultierenden Anpassungsleistungen.
Darüber hinaus zeigen Untersuchungen, dass ein täglicher Fernsehkonsum von mehr als 2,5 Stunden mit einer geringeren Lebenszufriedenheit einhergeht, verglichen mit einer Konsumdauer von weniger als einer halben Stunde.
Keinen messbaren Einfluss auf das Glücksempfinden haben hingegen Klima, Heirat, Alter, Ausbildung oder Geschlecht.
- Art und Weise, wie jemand mit der Welt und seinem Leben umgeht:
Etwa 40 Prozent des Glücks werden durch die Art, wie der Mensch mit der Welt und seinem Leben umgeht, gesteuert. Menschen, die ihre Vergangenheit mit Dankbarkeit, Wertschätzung und Vergebung betrachten, sind glücklicher. Auch Menschen, die Niederlagen internal und veränderbar attribuieren, sind glücklicher. Beispiel: „Ich bin durch die Prüfung gefallen, weil ich zu wenig gelernt habe“, statt: „Prüfer verlangen immer zu viel“ oder: „Ich bin unfähig, Prüfungen zu bestehen.“
Genuss macht glücklich, wenn …
Und wie steht’s um Schokolade, Sexualität und Sauerbraten? Nun, Genuss macht glücklich, wenn man bewusst genießt, man aufhört, wenn es genug ist und der Genuss nicht mehr wahrnehmbar ist (Das geht recht schnell. Ausprobieren lohnt sich!) und wenn klare Zeiten des Verzichtes dazwischen sind.
Es ist also eher die Grundhaltung der Achtsamkeit gegenüber den guten Dingen, die glücklich macht. Und das klare Bewusstsein, dass Entbehrungen in einem gewissen Maße die Voraussetzung dafür sind, glücklich zu sein. Menschen, die ein Leben ohne Schwierigkeiten führen, sind nicht automatisch glücklicher.
Glücklich machen ansonsten: Teilen, anderen eine Freude machen, Altruismus. Auch sich Ziele setzen, diese gegebenenfalls neu bewerten und lernen macht glücklich, ebenso wie daran zu glauben, dass man Einfluss auf den Verlauf seines Lebens hat. Optimistisches Denken ist ein weiterer Glücksfaktor. Letztlich zählt dazu, Ziele zu verfolgen, die mit persönlichem Wachstum, zwischenmenschlichen Beziehungen und Beiträgen zur Gesellschaft zusammenhängen.
Und nun zusammengefasst: Glücklich macht:
- in nicht allzu großer Fokus auf Geld,
- Ziele, die sich selbst oder die Gesellschaft weiterbringen.
- Optimismus,
- Glaube an den eigenen Einfluss auf das Leben, das man führt,
- Verzicht auf Vergleiche mit anderen,
- kontinuierliches Lernen,
- Achtsamkeit gegenüber den guten Dingen im Leben und deren bewusstes Genießen,
- Enthaltsame und gerne auch anstrengende Zeiten zwischendurch,
- ein ausgeschalteter Fernseher,
- Freundschaften, Familie,
- der Glaube an etwas,
- Versöhnung mit der Vergangenheit, Vergebung, wenn nötig,
- Teilen, anderen eine Freude machen.
Erstmals veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt I Heft 44 I 1. November 2019